Probe Haile: Survival: Bestanden! (erleichtert!)
Das Mädchen, das einstmals selbst Kultistin gewesen war, wusste genau, wonach sie suchen musste.
Die Erinnerungsfetzen prasselten auf sie ein wie ein Hagelsturm, peitschten ihre Seele wie kalte Stückchen Eis. Sie sah die Spuren und sie sprachen mit klaren Worten zu ihr.
Sie hatte von der „Jagd“ gehört damals, es war ein Tag, an dem sie wie eine Prinzessin behandelt worden war, weil – sie versuchte sich verzweifelt zu erinnern – das andere Etwas versagt hatte, wo sie siegreich gewesen war. Alles verschwamm in einem Nebel, aber sie spürte kalte, weiße Finger auf ihren Schultern, die ihren Hals entlang gestrichen waren und eine raue Stimme die klang, als wenn man zwei Kiesel aneinander rieb, als wären die Stimmbänder perforiert oder zu Staub zerfallen. Er erklärte ihr die große Jagd, erzählte ihr, berichtete ihr. Und in seiner Stimme schwang Belustigung mit.
Die menschlichen Opfer wurden aneinander gekettet, weit genug, damit sie laufen konnten, doch mit schweren Ketten eng zusammen, so dass Niemand ausbrechen konnte. Und dann wurden die Untoten hinter ihnen freigelassen, aufgepeitscht und böse gierten sie nach dem Fleisch der Lebenden. Wie Hütehunde eine Herde zu einem Kreis formen konnten, waren es nun die Untoten, die zum Halbmond geformt unendlich langsam zwar, doch unerbittlich und ohne je eine Pause zu brauchen, die in Ketten geschlagenen Opfer verfolgten. Sie in eine Richtung trieben. Jene, die marschieren mussten, hatten zu laufen, sich zu bewegen. Wer fiel oder stolperte, der wurde zum Todesboten für alle Anderen, hielt er sie doch auf und brachte sie so in die Reichweite der schnappenden Münder und mahlenden Kiefer. Es lief ihr kalt den Rücken herunter, als sie an die vielen Kinder und alten Menschen dachte, die man mit entführt hatte.
Wieder das Krampfen, wieder das Gefühl, als wären die kalten Finger mit der rissigen Haut wieder streichelnd in ihrem Nacken. Es gab keine Chance, wie ein Zug mit so vielen schwachen Menschen den Marsch hätte überleben können. Sie verspürte Hass auf das Geschehen, doch dann kam ihr das Messer in den Sinn, dass sie oben auf ihren Laken gesehen hatte. Sie dachte an die Fähnchen, die von nervösen Fingern in eine Karte gesteckt wurden. Sie dachte an eine Frau mit riesigem Herzen, dass sie sogar in Zeiten der größten Not ein fremdes Kind aufnahm, an eine junge Frau, die so stur und willensstark war, dass sie ihrem Vater Paroli bat und an einen Muskelberg, der sich zum Spaß mit Jegor prügeln würde.
Wenn Jemand diesen Marsch vielleicht überleben konnte, dann diese Menschen, die einander so sehr liebten, dass sie zusammenhalten würden.
Sie blickte der aufgewühlten Spur hinterher, die direkt nach Nordwesten führte. In Richtung San Antiono. So wie ihre Reise mit Adam…
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Howard, Will und Lancaster reisten auf dem Wagen und der tapferen Merete in Richtung der Karawane.
Schon von weitem konnten sie erkennen, wie einige gebückte Gestalten sich dort herumtrieben und immer mal wieder vorsichtig in den ersten der umgestürzten Wagen lugten.
Sie bewegten sich schnell, zu schnell für Untote, obschon einige von ihnen auch humpelten.
Will wollte sein Pferd schon hinter eine Düne lenken, als Lancaster ihm seine Hand auf die Schulter legte und mit einem Kopfnicken ihm bedeutete, dass er einfach weiterfahren sollte. Zwischenzeitlich hatte der Anführer das Gewehr von Steve vom Rücken genommen, einmal durchgeladen und in aller Seelenruhe auf den ersten der Gestalten angelegt, als er sie auch schon erkannte: Der traurige Rest, der von den Bucaneers geblieben war, die nun vollends heruntergekommen die Karawane plündern wollten.
Er feuerte einmal in die Luft und sofort blickten die drei Plünderer ihn vollkommen panisch an.
„Nach da drüben. Auf die Düne. Und bloß keinen Mucks.“, dirigierte er sie zur Seite und einer der überraschten Plünderer fauchte wütend: „Geschieht euch Recht, dass eure Siedlung brennt, nachdem ihr uns überfallen habt…“
Ohne mit der Wimper zu zucken, feuerte Lancaster eine Garbe an Schüssen vor die Zehen des Mannes, der überrascht und entsetzt zur Seite sprang und sich sofort mit den Armen über dem Kopf hinkniete und kein Sterbenswörtchen mehr fortan von sich gab.
Will und Howard nahmen nun die Überreste der Karawane in Augenschein. Die Wagen waren zerstört worden, auch hier hatte man gezielt die Achsen zerbrochen, die Tiere geschlachtet und auch die treuen Begleiter von Perlmutter lagen tot im Sand.
Doch hatten sie sich gewehrt, dies war offensichtlich. Ihre Waffen waren gezogen, Blut bedeckte den Sand und verklebte ihn. Doch hatten sie den Kampf verloren und waren dann ebenfalls wie die Bewohner von Shengs Hope, ihrer Heimat, mit Kehlenschnitten ermordet worden.
Howard schien kurz nachzudenken, dann fiel ihm etwas essentiell wichtiges auf – die Wägen standen samt und sonders falsch herum. Die Karawane von Perlmutter war nicht von Shengs Hope abgereist, sondern im Gegenteil, auf sie zugekommen. Und das war nur durch eine einzige Tatsache zu erklören, wie ihm schmerzhaft bewusst wurde.
Mum Perlmutter und ihre Leute waren wahrscheinlcih schon ein genazes Stück weitergezogen und waren nur zurück gekommen, um Hilfe zu leisten. Wahrscheinlich hatten sie die Feuer gesehen oder anderweitig ein schlechtes Gefühl gehabt, vielleicht hatten sie sogar einen Flüchtenden getroffen. Aber sie waren zu Hilfe geeilt und somit in ihr eigenes Verderben gezogen, denn Niemand hatte überlebt.
Jedoch konnten sie auch die Leiche der Karawanenführerin nicht finden und suchten nun genauer nach ihr, als sie ein leises Stöhnen vernahmen.
Lancaster hatte das Gewehr sofort im Anschlag und sicherte die beiden Ärzte ab und dann fanden sie Mum Perlmutter.
Sie lag an einen großen Reifen eines Wagens gelehnt, die Haut war blässlich weiß mit grünlichen Flecken, die Augen rot und entzündet und von Fieber gezeichnet.
Sie hatte eine klaffende Wunde am Bauch, aus der bereits ihre Innereien gequollen waren, kraftlos lag ihre Hand in ihrem Schoß, versteinert im Versuch, ihre Bauchwunde zu schließen.
Müde schlug sie die Augen auf und Will und Howard sahen sich beide alarmiert an. Mit ihren Wunden war es nicht nur ein mediziniesches Wunder dass sie noch lebte, es war nach Erfahrung der beiden Männer vollkommen unmöglich. Und trotzdem reckte sie ihnen den Kopf entgegen und mit rasselndem Atem sprach sie. „Kommt… näher…“
Die Drei sahen sich an, Mum leckte sich über die trockenen, rissigen Lippen, die von der Hitze und wahrscheinlich auch dem tobenden Fieber in ihrer vollkommen aufgesprungen waren.
„Nicht zu nah… ich bin infiziert…“, sie lächelte gequält und hustete etwas Blut, dann sprach sie weiter, an Niemanden wirklich gerichtet, fast ein Monolog.
„Ich sollte… schon tot sein… hatte das Licht gesehen… spürte das Blut… dann kam ein Kultist zurück… biss mir den Finger ab. Er war alleine. Ohne die... Anderen.“
Will erschauderte und Lancaster knurrte ein Schimpfwort, doch Mum Perlmutter überraschte sie. „Nein… durch die Infektion… lebe ich noch… um euch dies zu geben… er… er sagte, ich… soll es euch geben… dann würde ich Abschied nehmen dürfen… bei Menschen.“
Lancaster ging einen Schritt näher und Perlmutter hob schwach den Arm, in der Hand hielt sie etwas umklammert, ein blutbeschmiertes Stück Papier.
„Bitte… erschießt mich zuerst…und sagt meinen Jungs… ich hätte ihnen… so gerne noch eine letzte…Sache gesagt…“, sagte sie mit schwacher, ersterbender Stimme und Lancaster blickte sie lange an.
Als dann über die Dünen ein Schuss ertönte, stiegen die Vögel, die sich schon um das Aas balgen wollten, kreischend und voller Protest auf.
Howard hatte das Stück Papier in der Hand und zu dritt starrten sie darauf.
Es war ein Eintrittsticket. Für ein Sportevent der NBA. Ein Spiel, welches im Alamodome stattgefunden hatte, im Jahr 2010. Für diese Nachricht hatte man Mum Perlmutter das angetan.
Nun mussten die Drei entscheiden, was sie mit den gefangenen Bucaneers machen sollten.
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